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Die fortwährende Abwertung von Deutschen ausländischer Herkunft oder von Ausländern trägt auf Dauer dazu bei, dass sich Vorurteile immer mehr bestätigen.

© dpa

Ausländer: Wie Vorurteile Realität schaffen

Studie des Zentrums für Türkeistudien der Universität Duisburg Essen: Diskriminierung verhindert Integration. Wer im Alltag ständig abgewertet wird, bringt auch schlechtere Leistungen.

Vorurteile und abschätzige Verhaltensweisen gegen Minderheiten verhindern deren Integration, schaden aber auch der Mehrheitsgesellschaft offenbar massiv. Fortgesetzte Kränkungen im Alltag, etwa in der Schule oder am Arbeitsplatz könnten jegliche Anstrengung der Einzelnen torpedieren, ihren Platz in der Gesellschaft zu finden, heißt es in einer Expertise des Zentrums für Türkeistudien und Integration der Universität Duisburg-Essen für die Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Darin wurden eine Vielzahl von deutschen, europäischen und US-Studien auswertet.

Die Autoren, der Entwicklungspsychologe und Leiter des Zentrums Haci-Halil Uslucan und der Sozialwissenschaftler Cem Serkan Yalcin, zeigen dabei typische Muster auf, wie Diskriminierung auf die wirkt, die sie trifft: Sie bänden sich „stärker an die Eigengruppe“, dadurch werde es immer unwahrscheinlicher, „dass sie sich mit der Fremd- beziehungsweise Referenzgruppe, von der die Diskriminierung ausgeht, identifizieren“. Dies beschädige auch gut integrierte Migranten, die das Gefühl bekämen, trotz ihrer Leistung nicht anerkannt zu werden.

Gleichzeitig hätten negative Etiketten die Macht, die Fähigkeiten einer verachteten Gruppe tatsächlich zu schwächen. So fanden US-Forscher in den 90er Jahren heraus, dass die Angst afroamerikanischer Studenten vor den negativen Klischees über ihre Leistungsfähigkeit ihre Tests schlechter ausfallen ließen. In anderen Untersuchungen wurde diese „Bedrohung durch Klischees“ (stereotype threat) auch für Frauen in Mathematik nachgewiesen – das Vorurteil schuf also erst die Realität, die es zu spiegeln behauptete.

Dass damit mehr als nur Befindlichkeiten Einzelner erfasst werden, belegen die Wissenschaftler mit Zahlen für Deutschland: In einer Befragung von 2010 gaben 81 Prozent der Einwanderer mit türkischen Wurzeln an, Erfahrungen mit Diskriminierung im Alltag zu haben – wobei jüngere Leute bis 30 deutlich stärker betroffen sind. Dem persönlichen Erleben entsprechen Gegenproben, etwa vom Arbeitsmarkt: Bei gleicher Qualifikation erhalten Türken 14 bis 19 Prozent weniger positive Antworten auf Bewerbungen, in kleinen Unternehmen sind es sogar etwa 24 Prozent.

Um Abhilfe zu schaffen, empfehlen die Wissenschaftler neben Aufklärung – nur etwa 15 Prozent der Deutschen sind bisher echte Fans von Gleichberechtigung – vor allem den Abbau von Diskriminierung per Gesetz. So sei es riskant, „Ausländer erster und zweiter Klasse“ zu schaffen, etwa durch Sprachtests für türkische, nicht aber für koreanische Bräute oder ausbeuterische Beschäftigungsverhältnisse, die für Einwanderer geringere Löhne als für Einheimische erlaubten.

Diskriminierung schade nämlich Deutschland insgesamt, auch wirtschaftlich: Auf dem Arbeitsmarkt lasse sie Begabungen ungenutzt. Für die USA sei der „positive Zusammenhang zwischen Offenheit gegenüber ethnisch-kultureller Vielfalt und hohen Innovations- und Wachstumsraten“ nachgewiesen. Dafür brauche es aber eine „vorurteilsfreie und offene Gesellschaft“.

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